Ich war so müde. Zum Umschalten fehlte mir die Kraft, gleichzeitig war ich nicht besoffen genug, um besinnungslos zu werden, also musste ich mir eine Dokumentation auf N24 ansehen.
Den Begriff Dokumentation darf man auf N24 nicht zu streng nehmen, denn dieser Kanal ist einer. Als Springer-Produkt ist er die leibhaftig gewordene Abwasserleitung des Journalismus. Die Kloake der Berichterstattung und des Wissens.
Eine Zeitlang habe ich N24 als Unterhaltungsfernsehen missbraucht und mich gut amüsiert, insbesondere auf Kosten derjenigen Bevölkerungsschichten, die jeden Schwachsinn für bare Münze nehmen, sobald er nur durch ein Klo von Erkenntnissen gespült wird. Auf N24 gerinnt jeder Scheiß von der Wahrheit zur Wahrhaftigkeit.
Bald war ich nur noch genervt von den immer gleichen Maschen, die dort zu zeitgeschichtlichen oder wissenschaftlichen Sensationen aufgebläht werden. Ich war es echt leid, von einem letzten lebenden Zeitzeugen unter Eid von der Lieblingsfarbe Adolf Hitlers zu erfahren, belegt mit einer zeitgenössischen Schwarzweiß-Postkarte, deren Poststempel von drei unabhängigen Philatelisten für echt befunden wird, wozu dann auch noch der amtierende Postminister aus seiner Zeit in der Hitler-Jugend erzählen darf. Sie hing mir zum Halse raus, die Inflation der Experten und Professoren, die abstruse Sachverhalte herleiten, Krankheiten diagnostizieren oder irgendwas in Frage stellen, um endlich mal die Weltgeschichte zu erklären. Auf N24 herrscht nämlich beständig der streng investigative Verdacht: Da gab’s wohl mal einen Krieg, Ende der 30er Jahre rum, da müsste man mal eine Doku drüber machen …
Neulich hatte ich immerhin Glück, nicht der Führer hat mich erwischt, sondern die Archäologie. Danach schläft man doch etwas besser.
Womöglich ist die Bagdad-Batterie Schuld daran, dass Abwasser-Kanäle wie N24 aus jedem Fussel, den sie im Bauchnabel einer iranischen Wanderhure finden, eine in der Antike in Vergessenheit geratene Textilfabrik herleiten, welche dazu taugt, die heutigen politischen Zustände im Vorderen und Mittleren Orient zu erhellen.
Letzte Nacht also, in einer Ausgabe von Meilensteine der Technik, das: Der Fund eines Granitblocks in Ägypten, dessen Herstellung nur mit modernsten Mitteln möglich gewesen ist. Schnell wird herausgestellt, dass es 3000 vor Christus keine Werkzeuge gab, mit denen Granit bearbeitet werden konnte. Ergo hatten die alten Ägypter eine Kreissäge. Schon hier überwiegt die Logik jeden Zweifel!
Folgerichtig wird der Idee mit der Kreissäge intensiv nachgegangen. Aus dem Granitklotz lässt sich die Größe des eingesetzten Sägeblattes ableiten. Der Durchmesser betrug 9 Meter. Das passt hervorragend zu einer Grube in der Nähe, in der man bisher als Grabbeigabe ein Boot vermutete. Weg also mit dem Boot, rein mit der Kreissäge. So geht Wissenschaft.
Wissenschaft ist allerdings ein Hindernislauf. Ist die eine Hürde genommen, folgt die nächste. Granit ist ein hartes Zeug, also braucht es hartes Werkzeug. Heutzutage nutzt man gehärteten Stahl oder Diamant. Stahl kannten die Ägypter nicht und mit Diamanten hatten die es nicht so.
Daraus folgt: Das Sägeblatt war diamantbestückt. Zum Beweis wird mit solchem Sägeblatt eine Replik des Granitklotzes angefertigt. Und die Replik sieht tatsächlich so ähnlich aus, wie der Fund. Sogar fast wie eine Fälschung. Wie kann das sein, wo man sich bloß Mühe gegeben hat, dasselbe herzustellen? Spätestens seit Beltracchi wissen wir jedoch, dass es auf der Welt eigentlich gar nichts Echteres gibt, als das echt echt Gemachte!
Als wäre all das Herumgedokumentiere nicht beweiskräftig genug, gibt ein Experte folgendes zu bedenken: Der archäologische Nachweis von altägyptischen Monsterkreissägen steht allein deshalb aus, weil Archäologen in den betreffenden (Grabbeigabe-) Gruben (die jetzt Kreissägen sind) nie nach Diamanten gesucht haben. Das müssten die halt nur mal machen.
Archäologie geht nämlich so: Der Archäologe überlegt sich, was genau er zu finden gedenkt. Dann zieht er los und gräbt exakt das aus. Alles andere lässt er links liegen. Insbesondere Diamant. Wenn schon die Ägypter das Zeug nicht zu schätzen wussten, was soll ein Archäologe damit groß anfangen?
Um die Logik all dessen auf den Punkt zu bringen: Wenn 4000 Jahre vor der Erfindung der Kreissäge die Kreissäge erfunden wird, dann baut man eine Monstermaschine. Mit einem Diamantsägeblatt von 9 Metern Durchmesser fräst man genau einen einzigen akkuraten Granitblock. Beeindruckt vom Superergebnis, schmeißt man den in die Ecke und belässt es dabei. Man lässt von der bahnbrechenden Technik ab und widmet sich fortan für die nächsten Jahrtausende den altertümlichen Gewohnheiten und meißelt an Sandsteinquadern rum und raspelt Holz zurecht und wartet ganz gepflegt das erste Patent für eine Kreissäge um das Jahr 1800 ab.
Das ist alles voll logisch. Schön, dass es N24 gibt, diesen Fernsehfäkal, den ich dann doch gelegentlich zu schätzen weiß, wenn woanders grad keine Comedy läuft.
Klasse auf den PUNKT gebracht
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