Die Absolventausstellungen an der Hochschule für bildende Künste sind seit Jahr und Tag ein Garant für hochrangige Künstvergnügen. Es lohnt sich immer hinzugehen, enttäuscht wird man nie, nicht ohne Grund werden die Eröffnungsabende von Gästen regelrecht überrannt. Dieses Jahr ist die Absolventenausstellung nicht nur extrem sehenswert, sondern spektakulär, geradeso, als hätten die Absolventen ihrer Hochschule zum 250. Geburtstag, der mit einer umfangreichen Veranstaltungswoche begangen wird, ein Extrageschenk gemacht …
Wenn es eine exakte Grenze zwischen Installation und Skulptur gibt, dann hat Benjamin Nurgenc sie mit seinem Heptagon in der Aulavorhalle der HfbK gefunden.
Das mag daran liegen, dass Nurgenc seine Zukunft nicht in der Kunst sieht, sondern in den Wissenschaften. Meine Sicht soll ihm aber keinen Findungsprozess unterstellen, in der er diese Grenze ausgelotet hätte. Die besten Schöpfungen gelingen oftmals aus einer inneren Gewissheit heraus, und die setzt sich eher in Form eines Gefühls, der Erkenntnis um eine Richtigkeit, fest, als in Form eines korrekten – quasi technischen – Plans, der abzuarbeiten wäre. Im Besonderen gilt das wohl für minimalistische Werke, die häufig verkannt werden, weil sich in ihrer Leichtigkeit wenig spontane Gedanken verfangen, voreilig betrachtet scheinen sie Deutungen geradezu zu absorbieren und sind deshalb eine besondere Herausforderung an das Verständnis für Perfektion.
Denn den perfekten Ausdruck zur Umsetzung einer inneren Spannung zu finden, ist in der Kunst die eigentliche Kunst. Und das ist Nurgenc großartig gelungen.

Sein unbetiteltes Heptagon liegt dort auf dem Boden wie ein auf Hochglanz polierter schwarzer Spiegel, geradezu magisch und atemberaubend, wenn der Blick auf der extremen Schärfe der Oberfläche wandert oder sich wie von einer metaphysischen Anziehungskraft gebannt darauf verfängt. Es braucht ein gehöriges Maß an Naivität, um nicht zu verstehen, um nicht zu sehen, dass dort nichts poliert wurde, der Spiegelglanz eine stoffliche Eigenschaft der Oberfläche ist, die autark existiert, aus der Opazität einer Flüssigkeit heraus. Diese Flüssigkeit als ein Öl zu erkennen, ist dann auch nicht mehr schwer. Vorausgesetzt natürlich, man geht mit offenen Augen durch die Welt und gibt sich überhaupt Mühe, alle nur erdenklichen Selbstverständlichkeiten des Alltags zu verstehen. Manche Besucher allerdings scheinen nicht nur gar nichts zu verstehen, eine einem halbwegs kultivierten Menschen angemessene Beschäftigung mit Kunst ist ihnen auch fremd. Da wird immer und immer wieder hemmungslos angefasst, zugegriffen, gegrapscht und gefummelt. Nicht zu kapieren, dass Kunst keine Supermarktware ist, ist nicht naiv, das ist dumm.
So durfte ich live miterleben, wie ein bescheuertes Mädchen einfach mal drauf gelatscht ist, auf diesen seltsamen schwarzen Spiegel, um sich seiner Eigenschaften zu vergewissern. Während ich darauf ausgerastet wäre, hat Nurgenc seinen Charme nicht ganz verloren und das Mädchen lediglich etwas aufgebracht darüber belehrt, wie man nur auf solch eine Idee kommen kann – man tritt doch nicht einfach auf ein Kunstwerk. Als Entschuldigung bekam er prompt zu hören, das Mädchen hätte ja nicht mit Öl gerechnet.
Logo, da trampelt man natürlich einfach mal drauf, wenn man einen riesigen, dann aber offenkundig extrem zerbrechlichen Spiegel erwartet! Hierfür meinen ausdrücklicher Glückwunsch an die Doofheit.
Die Produkt-Designs von Simon Schmitz werden in spätestens zwanzig Jahren in jeder dritten Wohnung zu finden sein, da bin ich mir ganz sicher. Der erste Schritt dahin ist längst getan, denn seit einigen Jahren vertreibt Schmitz seine Entwürfe über seine Firma SPOD (Spot on Design GbR).
Seine Gestaltungen sind nicht nur exakt ausgeklügelte, extrem reduzierte Meisterwerke, manchmal basieren seine Entwürfe auch auf technischen Spielereien bzw. einer Begeisterung für technische Details, um die herum Schmitz ein Konzept entwickelt.

Ein wundervolles Beispiel hierfür ist die Tischlampe L03. Ihr zugrunde liegt das mechanische Prinzip der Muller-Ratsche oder auch Sperrklinke, die das Drehen an der Verzahnung in falscher Richtung verhindert. Auch wenn in der Lampe die Sperrklinke selbst keine Anwendung findet (die Gelenke lassen sich in beide Richtungen drehen, alles andere wäre bei einer Lampe allerdings auch völlig unsinnig), so ist es aber doch das typische Geräusch einer Ratsche, das den Ursprung der Idee festhält. Und, nicht zu vergessen: Die reine Schönheit der Mechanik, die hier nicht allein als technisch notwendiges, sondern vielmehr als prägendes Gestaltungselement ein extrem selbstbewusstes Dasein führt.
Simon Schmitz SPOD
Der Dadaismus hat in allen Bereichen der Künste für Innovationen gesorgt, die unserem heutigen Kunstverständnis eine fast endlose Bandbreite an Möglichkeiten und Ausdrucksformen beschert hat. Auch mit dem Bühnenraum wurde im Dada radikal experimentiert. Bis vor wenigen Tagen hätte ich behauptet, dass in den hundert Jahren, die Dada mittlerweile nachwirkt, an Theatern alle Möglichkeiten, den Bühnenraum neu zu definieren, ausgeschöpft wurden. Ich kann mich jedenfalls kaum daran erinnern, in den letzten zwanzig Jahren etwas wirklich Neues gesehen zu haben.
Und dann diese Überraschung: Die vollkommene Innovation, die Neuerfindung der Bühne, ein Meisterwerk, das einen in seiner Gewagtheit in den Bann zieht, gar nicht mehr loslassen will.
Lea Maria Burkhalter, Yi-Jou Chuang, Marlene Lockemann, und Hyejin Yoon haben eine raumfüllende Konstruktion zusammengezimmert, drei windschiefe Hohlkästen auf ein kaum ein Meter hohes Ständerwerk gebaut. In diesen Kästen wirken die Schauspieler und das Publikum wird auf den Boden gezwungen. Auf Rollbrettern ist es unter der Inszenierung unterwegs, und weil nur wenige Rollbretter zur Verfügung stehen, rutschen etliche Besucher auf dem Rücken über den Fußboden, um von Kasten zu Kasten den Dialogen zu folgen, Blicke zu erspähen.
Selbst wenn man sich gar nicht aktiv als Zuschauer in dieser Form daran beteiligt, vom aufgeführten Stück nicht viel mehr mitbekommt als gelegentliche Sprachfetzen, die aus den Holzkästen dringen, ist es ein außerordentliches Vergnügen, dem regen Treiben unterhalb der Bühnenräume zuzuschauen. Fast möchte ich behaupten, es wäre fast egal, was sich im Innern abspielt, denn hier erhält das Theater eine sensationelle Nebenebene in Form seiner Zuschauer …
Absolventenausstellung 2017 HfbK | Lerchenfeld 2 | U-Mundsburg 14. – 16. Juli | täglich 14–20 Uhr Öffentliche Führungen | 16 + 18 Uhr | Treffpunkt: Aulavorhalle Führungen für Kinder ab 6 Jahren (ohne Eltern) | Sa + So | 16 Uhr
Nebenorte: Wartenau 15 & Finkenau 42 Eingeschränkte Öffnungszeiten Wartenau 15 14. – 16. Juli | 16–19 Uhr
Festwoche: 250 Jahre HfbK