Master of Disaster

Ein schön gemachtes Buch ist in der Hauptsache eine Sache der Haptik. Ein Hardcover und eine griffige Grammatur des Papiers sind noch immer die überzeugendsten Aufforderungen, sich dem Inhalt hinzugeben. In Seiten zwischen festen Buchdeckeln blättert mensch lieber, als in einem billigen Huschpfuschpaperback. Mit Fadenheftung präsentiert ein Buch dem Leser seine aufgeschlagenen Seiten, ohne wie eine Schnappfeder zusammenzuklappen, ohne beim „Aufknicken“ mit losen Blättern um sich zu werfen, als wollte es seinen minderwertigen Inhalt auf den Müll kotzen.

Ein so gemachtes Buch macht auf den ersten Griff deutlich, dass es nach Aufmerksamkeit verlangt und diesem Verlangen in seiner Gestalt nachkommt. Der einfache Effekt, den ein fester Einband, Bindung und schweres Papier machen, kommt auch beim Autor selbst an. Obwohl er den Inhalt genau kennt, ist ihm das Hardcover bedeutender, als es ein Paperback wäre. Und um sich das zu beweisen, möchte der Autor selbst darin blättern. Am fertigen Buch will er sich von der Qualität seiner Arbeit überzeugen. Es ist zwar zu spät, denn das Buch ist fertig, aber diese ultimative Bestätigung braucht er.

Ich konnte es deshalb kaum abwarten, bis meine zwei Archivexemplare des XASSIKONs in Hamburg eintreffen. Und nun das: Die Bücher lassen sich nicht öffnen, vom schönen Hardcover, das auf den ersten Blick Bedeutung suggeriert, das selbstbewusst im Bücherregal stehen und allein durch seinen Buchrücken angeben möchte, ist nichts zu sehen bzw. fast nichts übriggeblieben. Daniel Ableev, der zur Endfertigung der Bücher eine Seite zu gestalten hatte, ist kreativ-experimentell ausgerastet.

Die Gestaltung meiner beiden Bücher lässt sich wie folgt stenographieren: Im einen Fall hat Daniel eine Tablette zu wenig genommen, im anderen Fall eine zu viel. Sieht auf den ersten Blick nach Rache aus, ich weiß nicht wofür, ich kenne seinen Psychiater nicht so gut. Wir telefonieren nur ein- oder zweimal täglich. Muss nachher mal fragen, wann das passiert ist, dass Daniel vom Master of Experimentalism zum Master of Disaster aufgestiegen ist. Ob da noch was zu machen is.

 

XASSIKON
Belegexemplar 1
rundum verklebebandet

Mit entsetzter Begeisterung stehe ich vor dem Problem, wie ich mit meinen Belegen umgehen soll. Oder auch nur sollte. Denn, wie oben beschrieben: Ich will ja im fertigen Buch blättern. Und ich will ein fertiges, ein vollendetes Exemplar im Regal, um nur ab und zu einen zufriedenen Blick daran abzustreifen, wenn ein Gedanke nach seinem Ende sucht. Im übernächsten fünften Jahr etwa.

Ich habe aber keine fertigen, vollendeten Exemplare.

Ich habe diese zwei voll fertiggemachten Exemplare!

XASSIKON
Belegexemplar 2
zugenäht, mit Kabelbinder gesichert, Buchdeckel zerschnitten / abgerissen

Um an den Inhalt zu kommen, muss ich das, was Daniel damit angestellt hat, zerstören. Müsste ich. Will ich aber nicht. Vollendet sind die Bücher exakt so, wie sie jetzt vorliegen. Ich will aber rein sehen. Welche Krux!

Vielleicht ist innen alles noch viel schlimmer. Ich will das wissen. Ich will das lieber nicht wissen. Hätt ich doch nur Tabletten im Haus. Ich komm aus dem Grinsen und Kichern gar nicht mehr raus.

Das liegt auch daran, dass ich kaum weiß , was Daniel mit den anderen Büchern angestellt hat, die mittlerweile bei den Lesern sind. In einem Fall hat er das Buch schön zugeschraubt, man muss erst an den Werkzeugkasten. Aber im Gegensatz zu meinen Exemplaren sieht man noch, dass es ein schönes Buch ist. Meine Lieblingsausgabe, schade dass die nicht mir gehört …

… ich hab nur die Nummern 1 und 2.

Das kann ich aber nicht beweisen.

XASSIKON
schön zugeschraubtes Exemplar

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