Der Kunstverein Stade hat einen Wettbewerb zum Thema Gesichter ausgerufen. Knapp 40 Positionen zum Thema sind ab Anfang Dezember im Kunstpunkt Schleusenhaus in Stade zu sehen. Fast alle Exponate sind verkäuflich.
Teilnehmende Künstler:
Frauke Beeck, Gisa Bergmann, Annette Boedts, Karin Boine, Joachim Brumme, Annette Bülow, Andrea Cziesso, Uschi Dechow, Iven Einszehn, Georg Engst, Margaretha Ganseforth, Anke Henneberg, Sarah Hillebrecht, Emese Kazár, Christa Klüßendorf, Gabriele Kurth-Schell, Britta Lange, Sarah Theresa Leja, Detlef Lemme, Christiane Lüdtke, Hanna Malzahn, Anke Maria Montana, Mario Müller, Siegmar Münk, Tamara Nickel, Angelika Petzl, Marc Pusch, Andrea Rausch, Ilse Rüder, Corinna Sapendowski, Anna Sasse, Hans Schlimbach, Susanne Siegmund, Gerhard Silber, Kerstin Stephan, Nicola Vogel, Anke Vos, Johanna Wunderlich, Yihuan Yao
Iven Einszehn: „Fuck the Art Fuck the Artist Please“
erhaltenswert und gelobt: Stencil von Rumo
Bergiusstraße 19.09.2016 19 Uhr
Stencil-Scheiße
Bergiusstraße Eingang 19.09.2016 15 Uhr
TILT-Variation
Empty Spiegel
Bergiusstraße 19.09.2016 19 Uhr
qrc free porn
Streetart-Malbogen coloriert und cutout
qrc more stuff
Stencil-Scheiße gecrosst
Bergiusstraße Eingang 19.09.2016 19 Uhr
Empty Vincent Van Gogh
qrc Polizei-Info
Streetart-Malbogen
Wand ist nicht gleich Wand
Zur Streetart-Aktion ART ATTACK in der Bergiusstraße
Schon lange störe ich mich daran, dass einschlägige Graffitimagazine und Streetartportale bevorzugt hochwertige Arbeiten publizieren. In dieser extrem fokussierten Sicht- und Darstellungsweise wird 99% dessen, was an Wände gemalt, geschrieben, getaggt, geschmiert, geklebt, montiert, eingeritzt und wie auch immer in den öffentlichen Raum gebracht wird, ignoriert und ausgegrenzt.
Das Phänomen Streetart lässt sich nur in seiner Gesamtheit begreifen. Denn es geht in der Streetart grundsätzlich nicht darum, der Umwelt etwas Schönes hinzuzufügen, das ist vielmehr ein positiver Nebeneffekt. Es geht vorrangig darum, sich den bestehenden Verhältnissen zu widersetzen, es geht um Einmischung, um Widerstand, um Vereinnahmung. Und die ist vielfältig. Da beteiligt sich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten oder Bedürfnisse. Auch Streetart will erlernt sein, muss geübt werden. Dass da zunächst viel Müll bei rauskommt, ist logisch, jedenfalls wenn man sich nicht die Mühe macht, im stillen Kämmerlein zu üben. Genauso logisch ist es, dass aufgrund der Illegalität oft schlicht die Zeit fehlt, um ordentlich zu arbeiten. Vieles muss viel schneller gehen, als es einem lieb wäre.
Manchem geht es schlicht und ergreifend auch überhaupt nicht darum, in irgendwie anerkannter Weise gut, gelungen oder hübsch rüberzukommen. Wenn es mir um Sachbeschädigung geht, muss ich mir ja nicht die Mühe machen, ein herausragendes Piece an die Wand zu bringen! Wenn ich meinen Frust loswerden will, habe ich schlechte Laune – und schlechte Laune in Kunst umzusetzen, das gelingt nicht einmal arrivierten Künstlern immer gut.
Wer sich für anarchistische Kunst interessiert, dem wird aufgefallen sein, dass die Schanze und Altona die Hamburger Hotspots der Streetart sind. Mit folgendem Unterschied: In Altona muss man etwas länger suchen, um eine schöne Arbeit zu finden. Mancher Straßenzug ist komplett mit Schrott zugeballert und sieht einfach nur nach kleinschwänziger Scheiße aus. Hier tappt man allerdings leicht in die ästhetische Falle der eigenen Vorstellungen: Man sollte den Schlachtruf „Das Viertel bleibt dreckig“, den man in Altona hin und wieder findet, in seiner kämpferischen Bedeutung kapieren. Gegen kapitalistische Verwertung, gegen asozialen Immobilienbesitz und Gentrifizierung ist vorsätzliche Hässlichkeit ein probates Mittel. Auch wenn nicht jeder als Politaktivist zur Spraydose greift, wird dennoch jeder Bestandteil dieser politischen Geschichte.
Manchmal trifft es aber voll die Falschen. Das beschissen zugetaggte Haus in der Bergiussstraße, dessen Fassade ich seit einer Woche in einer Qualitätsoffensive mit Kunst bereichere, ist so ein Fall. Hier handelt es sich um keine Immobilie, die es anzugreifen gilt, sondern um ein Wohnprojekt. Die Vereinsmitglieder haben das Haus einer kapitalistischen Verwertung entzogen. Sie besetzen damit dauerhaft wertvollen Baugrund, der nicht aufgewertet werden wird. Dieses Haus ist eine alternative Enklave inmitten eines Stadteils, der zunehmend abgerissen und neu hochgezogen wird.
Ich bin von den Bewohnern in der Bergiusstraße um nichts gebeten worden. Vielmehr habe ich festgestellt: Das sieht Scheiße aus, das will ich ändern. Mit meiner geballten Ladung Kunst verbinde ich nicht den Anspruch, andere hätten mit ähnlichen ästhetischen Konzepten aufzuwarten.
Allerdings verbinde ich damit den Anspruch, etwas geistvoller vorzugehen. Es ist in diesem Land erlaubt, selbst zu denken und kluge Entscheidungen zu fällen. Wand ist nicht gleich Wand!
NACHTRAG:
Ich konnte mein Projekt nicht beenden. Eine Bewohnerin der Bergiusstraße hat das verhindert. Mit dem einfachen Argument: „Ich will das nicht, weil ich nicht gefragt wurde,“ hat sie jegliche Bereitschaft, sich auch nur ansatzweise mit meiner Arbeit und der konstruktiven Intention zu beschäftigen, abgelehnt.
Abgesehen davon, dass ich mich nicht zum Spielball interner bescheuerter Machtspielchen machen lasse, bewegt sich diese Art und Weise des Denkens, Argumentierens und Handelns vollkommen auf geistigem AfD-Niveau!
Als Künstler mag ich mich mit dem unfertigen Ding nicht abfinden. Halbe Sachen sind nicht meine Welt. Als Perfektionist funktioniere ich vielmehr nach dem Motto DOPPELT ODER NICHTS.
In diesem Sinne gebe ich mich geschlagen. In künstlerischer Konsequenz fordere ich alle taggenden Kollegen dazu auf, über meine Werke drüberzugehen und den Urzustand der Fassade wieder herzustellen.